Zum 27. Juli



Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? - 1. Kor. 10, 16

Hier sagt uns der Apostel, was der Herr Christus durch das Austeilen Seines Fleisches und Blutes zu unserer Speise bezweckt und bewirkt. Es ist dies nämlich die innige Vereinigung zwischen Ihm und Seinen Gläubigen. Er sagt darüber ausdrücklich: „Wer Mein Fleisch isst und trinkt Mein Blut, der bleibt in Mir und Ich in ihm.“ Und gleich nach der Einsetzung des Abendmahls sagte Er: „Ihr werdet erkennen, dass Ich in Meinem Vater bin und ihr in Mir und Ich in euch.“ — „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in Mir bleibt und Ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Und abermals sprach Er in derselben Stunde zu Seinem Vater: „Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die Du Mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie Wir eins sind. Ich in ihnen und Du in Mir, auf dass sie vollkommen seien in eins.“ Bedenke, was solche Worte enthalten! Welches Wunder der göttlichen Liebe! „Wer Mein Fleisch isst, der bleibt in Mir und Ich in ihm.“ Es sind dies die eigenen Worte Christi! Wir stutzen, wir können eine so große Herrlichkeit nicht fassen; aber was sollen wir tun? Das sind wirklich Seine eigenen Worte; das ist kein Traum, keine Erdichtung; Er kann nicht lügen! Außerdem, wo ist wohl die Grenze der Ratschlüsse und Werke des großen, wunderbaren Gottes? Ihm, der uns zuerst mit Seinem Blute versöhnte, uns vor Gott rein, gerecht und wohlgefällig machte, gefiel es, uns herrlich zu machen, sich ganz innig mit uns zu vereinigen und zusammenzuschmelzen, wie wir es hier merken können, wo Er uns Seinen heiligen Leib zu essen und Sein Blut zu trinken gibt. Das, was wir essen und trinken, wird ganz und gar unser. So hat auch der Herr Christus uns Seinen Leib zum Essen und Sein Blut zum Trinken verordnet, um aufs innigste mit uns verbunden zu werden. Er will auf ewig unseren Geist mit Seinem Geist, unseren Leib mit Seinem Leib, unser Blut mit Seinem Blut verbinden, auf dass Seine Liebe, Seine Reinheit, Seine Würdigkeit ewiglich unsere werden möchte. Darüber schreibt der fromme Tauler die folgenden denkwürdigen Worte: „Nichts steht dem Sohne Gottes näher als Seine angenommene menschliche Natur, mit der Er sich durch die persönliche Vereinigung verbunden hat; mit uns dagegen ist nichts näher verbunden als das, was wir essen und trinken, da es in unser Fleisch und Blut verwandelt wird. Da Christus sich nun auf das innigste mit uns vereinigen wollte, stiftete Er dieses heilige Sakrament, in welchem wir durch das gesegnete Brot Seinen Leib essen, durch den gesegneten Wein Sein Blut trinken.“
Das muss in Wahrheit die Höhe der Herrlichkeit dieses hochwürdigen Sakramentes sein! Und wie sollten wir diese Vereinigung doch für die größte Herrlichkeit auf Erden achten! Ja, wenn ein Mensch erst den großen Trost gegen seine Sünde erhalten hat, den dieses Sakrament geben will, dann entbrennt er oft so vor Liebe zu seinem Herrn und Heiland, dass er wünscht, Ihn in sein Herz schließen zu können. Er hält nichts für eine größere Seligkeit, als in der innigsten Weise mit Ihm verbunden zu werden. Und sieh, da kommt hier der milde Herr und erfindet eine Weise, in der ein solcher Wunsch erfüllt wird.
Will man aber den eigentlichen Grund dafür bedenken, so muss man sich dessen erinnern, dass gerade die Wiedervereinigung des Menschen mit seinem Ursprung — mit Gott — der Zweck der ganzen Versöhnung war. Darum war er auch zu Seinem Bilde erschaffen. Durch den Sündenfall ging das Bild verloren. Da zerriss das Band der Vereinigung. Der Mensch trennte sich von seinem Schöpfer, und darin bestand der Tod, von dem der Herr gesagt hatte: „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.“
Der erste Schritt der Wiedervereinigung zwischen Gott und den Menschen geschah durch die Geburt des Sohnes Gottes, durch Seine Menschwerdung, als Er uns gleich wurde, indem Er sich in unser Fleisch kleidete, unsere Natur annahm und unser Blutsverwandter wurde. Damit war schon eine merkliche Vereinigung zwischen Gott und uns geschehen; denn wir waren jetzt „Seines Geschlechts“. Darum hatte der Prophet auch geweissagt: „Er wird heißen Immanuel, Gott mit uns“, d. h. nicht nur Gott unter uns, sondern Gott in uns, Gott in unserem Fleisch, Gott unser Blutsverwandter. Hierüber sagt auch der Apostel: „Weil sie alle von Einem kommen, beide, der da heiligt und die da geheiligt werden. Darum schämt Er sich auch nicht, sie Brüder zu heißen.“ Diese in der Geburt Jesu angefangene Vereinigung scheint Er aber in diesem wunderbaren Sakrament vollenden zu wollen, indem Er Seinen angenommenen Menschenleib mit dem unsrigen vereinigen lässt.
Wahrlich, dies ist doch etwas, „welches auch die Engel gelüstet zu schauen“! Welch ein Heiligtum trägt der Mensch in sich, der des heiligen Leibes Christi teilhaftig worden ist, der ein Leib und ein Geist mit Ihm ist! Welch eine Ehre und Seligkeit!
I/206

Die Lieb’ ist groß, ja unermessen,
Die solche Wunder an uns tut:
Den Deinen gibst Du Dich zu essen
Im Brot und Wein, Dein Fleisch und Blut.
War Dir’s zu wenig, teures Lamm,
Für uns’re Sünd am Kreuz zu schweben?
Du willst gar in und mit uns leben,
Als unser Herzensbräutigam.




Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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