Zum 15. Oktober



Gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also werden durch Eines Gehorsam auch viele Gerechte. - Röm. 5, 19

Gleichwie alle Kinder Adams durch seinen Ungehorsam zu Sündern verurteilt wurden, so wird auch der ganze Same Christi durch Seinen Gehorsam gerecht gesprochen. Durch Eines Gehorsam! Hier sagt der Apostel ausdrücklich, worin die Gerechtigkeit Christi besteht: Es war Sein Gehorsam, Seine eigene persönliche Erfüllung des ganzen Willens des Vaters. Wie der Sündenfall in „eines Menschen Ungehorsam“ bestand, so sollte dessen Wiedergutmachung durch „Eines Gehorsam“ geschehen. Das ganze Leben Christi auf Erden, von der Krippe bis zum Kreuz, war Gehorsam. „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung“, sagt der Apostel. Christus hatte eine vollkommene Liebe, sowohl zu Seinem Vater als auch zu uns Menschen. Aus Liebe zu uns und aus Gehorsam gegen Seinen Vater kam Er auf die Erde und wurde unser Bruder. In Liebe und Gehorsam ging Er umher, tat wohl und half allen. Aus Liebe zu uns und aus Gehorsam gegen Seinen Vater wollte Er „den Tod für alle schmecken“. „Er ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Und nichts Geringeres als ein so vollkommener Gehorsam konnte die Menschen von der Verdammnis erretten, die durch eines Ungehorsam über uns gekommen war. Sieh nun hier in diesem vollkommenen Gehorsam Christi das, was den beständigen Ungehorsam aller Menschen zudeckt.
Die geistliche Not und Klage aller Heiligen ist diese, dass sie Gott nicht recht gehorchen können, sondern noch beständig gegen Ihn sündigen. Wo der Geist willig und heilig ist, da ist das angeborene Verderben stets als ein Ungehorsam nur umso fühlbarer und drückender. Alle Sünden im Herzen oder im Wandel, in Gedanken, in Begierden, Worten und Werken sind stets ein Ungehorsam gegen Gott, der in Seinem heiligen Gesetz all dieses Böse verbietet. Dann ängstigen die Gläubigen sich, erschrecken und jammern als Ungehorsame gegen ihren Gott.
Aber sieh nun hier: Gegen all unseren Ungehorsam hat Gott den Gehorsam Seines Sohnes gesetzt. Sein Gehorsam soll unser Gehorsam sein. So sagt es dieser Text. „Durch Eines Gehorsam werden viele Gerechte.“ Gerade dazu sandte Gott Seinen Sohn unter das Gesetz, auf dass Er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste. Als Gott von Ewigkeit her alle Menschen unter der Sünde, dem Urteil des Gesetzes verfallen und mit einem solchen Verderben erfüllt sah, dass kein einziger dem Gesetz vollkommen gehorchen oder es erfüllen konnte, da beschloss Er in Seiner ewigen Barmherzigkeit, dieses alles „durch Einen“ gutzumachen. Sein Sohn sollte „der Same eines Weibes“, ein wahrer Mensch werden, aber mit vollkommenem Gehorsam. Als ein neuer Stammvater sollte Er für uns das Gesetz erfüllen und dessen Fluch erleiden. Wie wir durch den Ungehorsam des ersten Stammvaters Sünder wurden, so sollen wir nun durch des anderen Gehorsam gerecht werden. Und gerade dieser vollkommene Gehorsam Christi ist die eigentliche Gerechtigkeit, mit der wir vor Gott bestehen. „Derhalben sieht der Glaube“, sagt die Konkordienformel, „auf die Person Christi, wie derselbe für uns unter das Gesetz getan, unsere Sünden getragen und in Seinem Gang zum Vater den ganzen und vollkommenen Gehorsam Seinem himmlischen Vater für uns arme Sünder geleistet und damit allen unsern Ungehorsam, der in unserer Natur wohnt und in derselben Gedanken, Worten und Werken steckt, zugedeckt hat, so dass dieser (unser Ungehorsam) uns nicht zur Verdammnis zugerechnet wird, sondern aus lauter Gnaden, allein um Christi willen, uns verziehen und vergeben wird.“
Darum muss ein jeder, der gern ein Christ sein und Gottes Gnade glauben will, aber von seinem eigenen mannigfachen Ungehorsam behindert und bedrückt wird, ernstlich diesen Trost fassen und sprechen: „Christi Gehorsam ist mein Gehorsam. Mit meinem eigenen Gehorsam und meiner eigenen Gerechtigkeit ist es so ganz und gar verloren, dass ich gänzlich verzweifeln und nimmermehr an die Seligkeit denken könnte, wenn ich nach dem Gesetz gerichtet werden sollte. Aber deshalb ist Christus unter dem Gesetz gewesen und hat einen vollkommenen Gehorsam bewiesen, auf dass Er dadurch uns erlöste, die wir unter dem Gesetz waren. Denn um Seinetwillen brauchte Er ja wahrlich nicht unter dem Gesetz zu sein; sondern dieses alles tat Er für uns, an unserer Statt und uns zugute. Das ist meine einzige Gerechtigkeit, nämlich nicht mein Gehorsam, sondern Sein Gehorsam; denn selbst wenn mein neuer Mensch gehorsam sein will, ist die alte Natur in mir doch voller Ungehorsam. Deshalb ist dies mein einziger Trost, dass Christus Jesus für uns gehorsam war.“
In dieser Weise sollten wir uns diesen trostreichen Text zunutze machen. Wenn jemand sagt: „Was hilft es mir, dass Jesus gehorsam war, wenn ich es selber nicht sein kann?“, dann wird geantwortet: Wenn Christi Gehorsam nicht dein Gehorsam ist, dann bist du ewig verloren. Hier sagt uns der Apostel, dass wir nur „durch Eines Gehorsam“ gerecht werden. Wir sollen darum mit großem Eifer und Ernst diese teuren Worte „durch Eines Gehorsam“ in unser Herz einprägen. Sonst werden wir wegen der Einflüsterungen des Gefühls, des Gewissens und des Unglaubens immer wie Späne auf dem wilden Meer umhergetrieben. — Welch ein seliger Trost dagegen, welch eine Ruhe für einen armen, ermüdeten Sünder, auf diesem festen Felsen, dem Ewigkeitsratschluss Gottes, ruhen zu dürfen. Gleichwie wir alle durch eines Menschen Ungehorsam Sünder wurden, so werden wir auch durch Eines Gehorsam gerecht!
Römer 5, 18–19

Wenn ich mich selbst betrachte,
So wird mir angst und weh;
Wenn ich auf Jesum achte,
So steig ich in die Höh’,
So freut sich mein erlöster Geist,
Der durch das Blut des Lammes
Gerecht und selig heißt.




Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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