Zum 12. Dezember



Wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken? - Röm. 8, 32

Dies ist die beste Schlussfolgerung aus dem Vorhergegangenen. Da Gott uns die größte Gabe gegeben hat, wird Er uns die kleineren auch nicht verweigern. Sein eigener Sohn ist gewiss die größte Gabe, die je gegeben werden konnte; und dann wird wahrlich nichts Gutes oder Heilsames denjenigen vorenthalten werden, denen Gott eine solche Gabe geben wollte. Er wird uns mit Ihm alles schenken. Das Wort „mit Ihm“ gibt zu erkennen, dass wir um Christi willen alles erhalten, gleichwie eine Braut an allem Anteil erhält, was der Bräutigam besitzt. Schon hier hat der Vater uns mit dem Sohne die größten Gaben gegeben: Eine ewige Gnade und Vergebung für alle Sünden, Freiheit vom Gesetzesbunde und aller Verdammnis, eine ewige Gerechtigkeit vor Gott, den Heiligen Geist in unseren Herzen, den Dienst und Schutz der heiligen Engel, Erhörung und Hilfe in allen Bekümmernissen, schließlich den Sieg über den Tod und das Erbteil an der himmlischen Herrlichkeit. Sollte dies zu viel zu erwarten sein? Im Gegenteil, denn der Apostel sagt: „Da Gott auch Seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat Ihn für uns alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken?“ Dies Wort „wie“ bezeichnet das entschieden Sichere, ja Unbedingte dieser Schlussfolgerung, dass Gott dann gewillt sein muss, uns mit Ihm alles zu schenken.
Diesen herrlichen und unerschütterlichen Trostgrund müssen wir nun bei allen möglichen Bedürfnissen der Gnade und Hilfe Gottes bedenken und anwenden. Bist du z. B. sehr niedergeschlagen wegen deiner Sünden, fällst und vergehst du dich oft und denkst, dass Gott deiner müde werden und dich in einen verkehrten Sinn dahingeben müsse, suchst du aber und erflehst du noch am Gnadenstuhl Vergebung und Hilfe, wie sollte Gott dir diese dann nicht geben, Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, um uns eine ewige Gnade zuteilwerden zu lassen? Wie sollte Er dich nicht die ganze Zeit hindurch so, wie du bist, auf Seinen ewigen Gnadenarmen tragen und dich verteidigen? Wie sollte Er dir nicht eine solche Gnade schenken, da Er Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns dahingegeben hat zu der Zeit, als wir — noch gänzlich in alle Sünden verstrickt — Seine Feinde und Verächter waren? Wie sollte Er nun auf deine Sünden zu sehen anfangen?
Oder du erschrickst und ängstigst dich über deinen Unglauben und deine Herzenshärtigkeit, dass du nicht alles das glauben und dich nicht über die Liebe Gottes und die Dahingabe des Sohnes freuen kannst, und du seufzest: „Ach dass ich nur mehr Glauben und Leben in meiner Seele hätte!“ Wie aber sollte Gott dir nicht auch dies schenken wollen, da Er dir doch Seinen Sohn gab? „Wie viel mehr wird unser Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die Ihn bitten.“
Nun klagst du aber, dass du nicht einmal so fleißig und ernstlich beten kannst, wie du solltest, sondern im Gebet sogar kalt und träge bist, und du wünschest, dass Gott dir auch hierin helfen möge. Wie sollte Er dir nicht auch diese Gnade schenken wollen, Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für dich dahingegeben hat? Wenn du zudem um vermehrtes Armsein im Geist und um vermehrtes Gefühl deiner Ohnmacht und deines Elends flehst, sollte Er dir dann einen fühlbaren Reichtum an geistlichen Gaben geben? Dann erhört Er auch dieses letztere Gebet. Er lässt dich zwar immer tiefer deine Armut und dein großes Elend fühlen, gibt dir aber doch so viel Gnade zum Glauben, zum Gebet usw., dass du nicht zuschanden wirst, nicht verlorengehst, sondern wirklich das ewige Leben empfängst.
Wenn du schließlich deinem Zustande misstraust und befürchtest, dass du nach allem, was du von geistlichen Sachen erfahren und gehört hast, schließlich doch heimlich betrogen im ewigen Verderben enden wirst, und wenn du deshalb mit David ausrufst: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz!“, wie sollte Er nicht auch ein solches Gebet erhören und dafür sorgen, dass du nicht in einem falschen Zustand verbleibst?
Oder du fühlst und siehst viele furchtbare Versuchungen auf dich einstürmen, ohne zu sehen, wie du in ihnen glücklich bestehen wirst, aber du flehst, dass Gott Hilfe senden möchte; oder du leidest an körperlichen Gebrechen, an Krankheit oder Armut oder unter bösen Zungen und unter Argwohn vonseiten der Menschen, und du weißt keine Hilfe auf Erden, sondern wendest dich an deinen Vater im Himmel; — sollte Er dich dann nicht hören und dir alle Gnade und Hilfe geben, deren du bedarfst? — Kurz: Wenn mein Herz sich von äußeren und inneren Anfechtungen wie in einem Wirbelwind von ungewissen Gedanken umhergeworfen fühlt und ich nicht weiß, welche Richtung ich einschlage oder was Gott von mir denkt, wenn ich im Gewissen wegen Sünden oder Untreue verdammt werde, welch ein unaussprechlicher Trost und welche Ruhe, wenn ich dann zu Dem hinaufblicken kann, der vom Anfang der Welt an alle, die Ihn anriefen, um Seines Sohnes willen erhört und ihnen geholfen hat!
Wenn schließlich meine Sterbestunde gekommen ist und mich vielleicht die Dunkelheiten der Ewigkeit umgeben, meine Seele vielleicht mit bangen Gedanken wegen des Vergangenen und des Zukünftigen beunruhigt wird, welch ein Trost, wenn dann jemand mir ins Ohr rufen kann: „Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte Er dir jetzt nicht helfen? — Wie sollte Er uns dann nicht auch im Tode ein ebenso treuer Freund und Helfer sein, wie Er es im Leben war? Wird Er nicht, wenn unsere Prüfungszeit zu Ende ist, den ganzen Reichtum Seiner Gnade offenbaren und uns im höchsten Sinn mit dem Sohne alles schenken?“
Römerbrief





Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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